20.07.2024
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Algol A und Algol B

Am 20. Juli 2024 erwartet uns die erste von drei Konjunktionen, die Uranus, der große Revoluzzer, Erneuerer und Befreier, zu Algol bildet. Algol ist ein Fixstern, der in vielen Kulturen schon seit Jahrtausenden eine wichtige Rolle spielt. Nach dem, was überliefert ist, wurden Algol in früheren Zeiten fast ausschließlich negative Eigenschaften zugeschrieben. Der Stern wurde geradezu verteufelt, was sich noch heute in seiner landläufigen Bezeichnung zeigt, denn Algol wird der „Dämonenstern“ genannt. Die arabischen Astronomen, denen wir einen Großteil der Sternnamen zu verdanken haben, die wir heute noch gebrauchen, nannten diesen Stern Ra’s al Ghul, was so viel wie der „Kopf des Dämons“ bedeutet. Für die chinesischen Astronomen war Algol "Tseih She", was man mit „gestapelte Leichen" übersetzen kann. Was es mit diesen dramatischen Bezeichnungen auf sich hat und ob die extreme Wortwahl gerechtfertigt ist, bespreche ich in diesem Artikel.

Die erste exakte Uranus-Algol-Konjunktion findet am 20.07.2024 auf 26°30´ Stier statt. Die zweite exakte Uranus-Algol-Konjunktion findet am 14.10.2024 auf 26°31´ Stier statt. Die dritte und letzte exakte Uranus-Algol-Konjunktion findet am 04.05.2025 auf 26°30´ Stier statt. Da Uranus in einem 84 jährigen Zyklus durch den Zodiak läuft, handelt es sich um eine verhältnismäßig seltene Konjunktion. Die letzten Uranus-Algol-Konjunktionen fanden von 1940 bis 1941 statt (siehe Daten am Textende).

Die genannten Daten beziehen sich auf die Tage, an denen die Aspekte exakt sind, aber die Themen, die die Uranus-Algol-Konjunktionen für uns bereithalten, begleiten uns über einen längeren Zeitraum. In konzentrierterer Form wirken die Aspekte von Mitte Juni bis Anfang Dezember 2024 und von Anfang April bis Anfang Juni 2025 auf uns ein. Eine kurze Annäherung gibt es noch mal von Ende Januar bis Mitte Februar 2026, aber die Aspekte werden nicht mehr exakt. Wenn die langsam laufenden Planeten Aspekte bilden, haben wir es mit langfristigen Entwicklungszyklen zu tun. In den Tagen, in denen die exakten Aspekte stattfinden, sind die Einflüsse zwar besonders intensiv, aber unterschwellig prägen die Uranus-Algol-Themen die astrologische Zeitqualität von Juni 2024 bis Juni 2025.

Sternbild Perseus (Algol befindet sich im Haupt der Medusa), Johannes Hevelius, 1687

ALGOL – DER STERN

Algol, auch bekannt als Beta Persei, ist ein Dreisternsystem, das im Sternbild Perseus liegt. Im tropischen Zodiak, mit dem die meisten westlichen Astrologen arbeiten, lässt sich der Fixstern Algol auf 26°30' Stier finden (Stand 2024). Die Bezeichnung Fixstern ist eigentlich nicht korrekt, denn fix bedeutet soviel wie feststehend oder unbeweglich. Die Fixsterne bewegen sich aber in unserer Galaxie, im Verhältnis zu den Planeten unseres Sonnensystems jedoch sehr langsam. Fixsterne verändern ihre Position nur ungefähr alle 72 Jahre um einen Grad. Deshalb befindet sich Algol in jedem Horoskop eines heute auf der Erde lebenden Menschen zwischen 24° und 26° Stier (im tropischen Zodiak). Da Uranus in einem 84 Jahre-Zyklus durch den Zodiak läuft, können wir einen Transit von Uranus und Algol nur einmal im Leben erleben. In der astrologischen Arbeit mit Fixsternen werden nur sehr enge Konjunktionen berücksichtigt, das heißt die Entfernung zu einem anderen Himmelskörper kann bis zu einem Grad betragen. Neben der Konjunktion spielt auch die Parallele eine große Rolle. Alle anderen Aspekte, wie Oppositionen, Quadrate, Sextile und Trigone werden in der Arbeit mit Fixsternen nicht benutzt.

Das Dreisternsystem besteht aus einem helleren bläulichen Stern (Algol A), der ungefähr die einhundertfache Helligkeit unserer Sonne hat und einem weniger leuchtstarken rötlich-gelben Stern (Algol B). Algol A und Algol B umkreisen einander in einem sehr geringen Abstand und die Umlaufperiode beträgt 2,867 Tage. Algol C, der dritte Stern im Bunde, kreist „in sicherer Entfernung“ um das Doppelsternsystem Algol A und B. Algol C ist ungefähr 43 mal weiter von dem Doppelsternsystem entfernt, als Algol A und B voneinander entfernt sind.

Algol B, Algol A und Algol C

Das Dreisternsystem ist etwa 90 Lichtjahre von der Erde entfernt. Wenn wir uns vor Augen halten, dass die Sonne im Durchschnitt 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist, lässt sich ungefähr erahnen wie viel weiter Algol von der Erde entfernt ist, denn 90 Lichtjahre sind um die 851,4 Billionen Kilometer! Auch wenn das menschliche Vorstellungsvermögen derartige Entfernungen nicht erfassen kann, können wir zumindest versuchen zu verstehen mit welchen Größenverhältnissen wir es hier zu tun haben. Denn wenn wir uns die ungeheure Entfernung von Algol vor Augen halten, können wir unseren Vorfahren den Respekt zollen, den sie dafür verdienen, dass sie Algol bereits vor 3000 Jahren beobachtet haben und ihre Erkenntnisse für die Nachwelt dokumentiert haben.

Ein bemerkenswertes Phänomen, das im Algol-System auftritt, ist das sogenannte Algol-Paradoxon. Normalerweise ist der massereichere Stern in seiner Entwicklung weiter fortgeschritten. Im Algol-System ist aber der massereichere Stern Algol A "jünger", das heißt, er besitzt größere Brennstoffreserven als Algol B. Dieses Paradoxon wird dadurch erklärt, dass der schwerere bläuliche Stern seinem rötlichen Begleiter ständig Masse abzapft. Es findet ein kontinuierlicher Materiestrom von Algol B zu Algol A statt. Algol A ist also der "aggressivere" Teil des Systems, während Algol B, obwohl er durch Aufblähung größer ist, seine Masse opfern muss, um Algol A in seinem "jugendlichen" Zustand zu halten.

Im Vergleich zu der Häufigkeit von Sonnen- und Mondfinsternissen, die auf der Erde stattfinden, kommt es im Algol-System außergewöhnlich oft zu Finsternissen. Diese Sternfinsternisse treten auf, wenn der lichtschwächere Algol B den helleren Algol A teilweise bedeckt. Die Finsternisse treten etwa alle 2 Tage und 21 Stunden auf und sie dauern etwas mehr als 9 Stunden. Während einer Finsternis sinkt die Helligkeit von Algol A auf ungefähr die Hälfte. Aufgrund der regelmäßigen Verfinsterungen von Algol A, wurde der Stern von den Astronomen im alten Griechenland das „blinkende Auge“ genannt, denn von der Erde aus gesehen könnte man meinen Algol A schalte sein Licht an und aus, wenn er zeitweise von seinem Begleiter verdunkelt wird.

Traditionell wurden die Zeiten, in denen Algol verdunkelt ist, als besonders schwierig oder gar als gefährlich angesehen. Die alten Ägypter haben gegen Ende der 19. Dynastie sogar einen Kalender entwickelt, der sich an den wechselnden Lichtverhältnissen von Algol orientierte, den sogenannten Kairo-Kalender, der zwischen 1244 bis 1163 vor Christus entstanden ist. Der Kairo-Kalender enthält eine Liste von religiösen Festen, mythologischen Ereignissen, günstigen und ungünstigen Tagen, Vorhersagen und Warnungen. Die vielen Rituale und Kulthandlungen, die die alten Ägypter durchführten, richteten sich in dieser Epoche streng nach dem Kairo-Kalender. Der Kairo-Kalender ist das älteste erhaltene historische Dokument, das die Beobachtungen eines veränderlichen Sterns mit bloßem Auge dokumentiert. Für die heutigen Astronomen, die über fantastische technische Möglichkeiten verfügen, grenzt es an ein Wunder, dass die alten Ägypter schon vor 3000 Jahren dazu in der Lage waren den ständigen Lichtwechsel und im Algol-System zu beobachten.

Auszug aus dem Kairo Kalender, ca. 1225 v. Chr. www.britishmuseum.org

Die Beschaffenheit des Dreisternsystems gibt uns schon mal wertvolle Hinweise auf die astrologische Bedeutung von Algol. Man könnte sagen die Sterne Algol A und Algol B haben eine „vampiristische Beziehung“ zueinander, während Algol C diese „toxische Beziehung“ entweder besorgt beobachtet oder – als der lachende Dritte - vielleicht sogar in irgendeiner Weise von dem Drama profitiert.

Da Beziehungen sehr komplex sind, ist es für Außenstehende oft schwer die Vorgänge innerhalb einer Beziehung realistisch einzuschätzen. Wenn es sich um eine Beziehung handelt, die von Missbrauch geprägt ist, ist es besonders kompliziert die psychologischen Dynamiken zu durchschauen, die eine solche Beziehung aufrechterhalten. Manchmal ist das vermeintliche Opfer eigentlich der Täter und manchmal wird ein Opfer selbst zum Täter. Der Mythos, der mit dem „Dämonenstern“ in Verbindung gebracht wird, handelt von naiver Unschuld, verletzter Eitelkeit, Intrigen, Rache, Statusfragen, Machtmissbrauch, Verstrickungen, Triebhaftigkeit und der Unterdrückung von Trieben. Dieser Mythos ist vielleicht die älteste uns noch heute bekannte Geschichte, die sich mit Trauma befasst. Der Mythos handelt aber auch von posttraumatischem Wachstum, also von den Entwicklungs- und Reifungsprozessen, die durch die Auseinandersetzung mit traumatischen Erfahrungen in Gang gesetzt werden können.

Haupt der Medusa, public domain

ALGOL – DER MYTHOS

Der Mythos, den die alten Griechen mit Algol verbunden haben, handelt von Medusa, der Gorgone mit den Schlangenhaaren, deren versteinertes Haupt noch heute einige sehr alte Gebäude, Tempelruinen, Brunnen und Öfen im Süden Europas ziert. Der griechische Astrologe, Astronom, Mathematiker und Philosoph Claudius Ptolemäus, der im 2. Jahrhundert gelebt hat, nannte Algol „Gorgonea Prima“, was so viel wie „der erste (Stern) der Gorgone“ bedeutet.

Medusa ist eine der bekanntesten und faszinierendsten Figuren der griechischen Mythologie. Medusa war eine von drei Gorgonen; drei Ungeheuer mit Schlangenhaaren, deren Anblick jeden zu Stein erstarren ließ. Während ihre beiden Schwestern unsterblich waren, war Medusa eine Sterbliche. Im Gegensatz zu ihren beiden Schwestern war Medusa aber nicht immer ein furchterregendes Wesen. Ursprünglich war sie eine wunderschöne Priesterin, die im Tempel der Göttin Athene gedient hat. Medusas Schönheit war Anlass dafür, dass viele Männer um ihre Gunst warben, aber sie wies alle Bewerber zurück, denn als Priesterin der jungfräulichen Göttin Athene hatte auch sie Enthaltsamkeit geschworen.

Trotzdem allgemein bekannt war, dass Medusa zur Keuschheit verpflichtet war, fühlte sich der Meeresgott Neptun (griechisch Poseidon) stark zu ihr hingezogen. Er gierte so sehr nach Medusa, dass er sie schließlich im Tempel der Athene vergewaltigte. Die Vergewaltigung von Medusa war eine doppelte Entweihung: Neptun hat eine keusche Priesterin entweiht und er hat den Tempel der Göttin Athene entweiht, die sich mit ihrer Jungfräulichkeit rühmte. Athene war außer sich vor Zorn als sie die furchtbare Tat entdeckte. Aber anstatt Neptun zu bestrafen, belegte sie Medusa mit einem schrecklichen Fluch. Athenes Fluch sollte Medusa so hässlich machen, dass ihr Anblick sogar die Hässlichkeit ihrer fürchterlichen Schwestern in den Schatten stellen würde. Der dunkle Zauber verwandelte Medusas schöne Haare in züngelnde Schlangen, die sich wild zischend um ihr Haupt schlängelten. Ihr anmutiges Gesicht wurde bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Anstelle von Zähnen hatte sie nun Reißzähne. Ihre Zunge war gespalten und hing ihr aus dem geöffneten Mund. Ihre Augen glühten und quollen aus den Höhlen hervor. Der bloße Anblick von Medusa sollte fortan jeden zu Stein erstarren lassen, der ihr in die Augen blickte.

Haupt der Medusa. Peter Paul Rubens, ca. 1618

Die Tragödie von Medusa endete aber nicht mit ihrer Verfluchung. Der Held und Halbgott Perseus, ein Sohn des Gottvaters Jupiter (griechisch Zeus), wurde von König Polydektes beauftragt, die schier unmögliche Aufgabe zu lösen der Gorgone den Kopf abzuschlagen. Mit den Leihgaben verschiedener Götter ausgestattet machte sich Perseus auf den Weg. Athene hatte ihm ein Schild zur Verfügung gestellt, das der Abwehr und der Verteidigung dienen sollte. Merkur (griechisch Hermes) hatte ihm seine geflügelten Sandalen geliehen und eine scharfe Sichel mit auf den Weg gegeben. Pluto (griechisch Hades) borgte ihm seine „Hadeskappe“, einen Helm, der ihm die Fähigkeit verlieh sich unsichtbar zu machen.

Über viele Umwege konnte Perseus endlich das Versteck von Medusa ausfindig machen. Durch einen Trick gelang es ihm schließlich die Gorgone zu enthaupten. Er benutzte das blankgeriebene Bronzeschild der Athene als Spiegel, denn nur indem er Medusa durch den Spiegel anblickte, konnte er ihr den Kopf abschlagen, ohne ihr dabei direkt in die Augen sehen zu müssen. Der Blick in den Spiegel ermöglichte es Perseus der Versteinerung zu entgehen und Medusa zu töten. Aus der klaffenden Wunde an ihrem Hals entsprangen Pegasus, das sagenhafte geflügelte Ross und Chrysaor, ein mächtiger Krieger mit einem goldenen Schwert.

Nachdem Perseus Medusa enthauptet hatte, fing er ihr Blut auf, denn Medusas Blut war sowohl Gift als auch Medizin. Das Blut, das er der rechten Seite ihres Halses entnahm, hatte Heilkräfte, während das Blut, das er der linken Seite ihres Halses entnahm, giftig war. Der Teil des Blutes der Gorgone, das Heilkräfte besaß, wurde zu einem mächtigen Heilmittel. Insbesondere Asklepios, der Gott der Heilkunde und der Medizin, wurde durch das wundersame Heilmittel berühmt. Mit dem Blut der Medusa machte er das Unmögliche möglich und erweckte Tote wieder zum Leben. Die Wiederbelebung von Toten sollte ihm allerdings zum Verhängnis werden, aber das ist eine andere Geschichte...

John Singer Sargent, Perseus on Pegasus Slaying Medusa, 1925, public domain

Auch nach ihrem Tod behielt das Haupt der Medusa seine versteinernde Kraft. Mit dem Gorgonenhaupt bewaffnet konnte Perseus seine Feinde besiegen, die sich ihm bei seiner Rückkehr in den Weg stellten. Ein Kampf, den Perseus auf seinem Rückweg ausfechten musste, ist besonders entscheidend, nämlich sein Kampf gegen das Seeungeheuer Keto, das ausgerechnet die Mutter von Medusa war.

Andromeda, eine schöne, junge Prinzessin, war an eine Felswand gekettet worden, weil ihre Mutter Kassiopeia behauptet hatte, dass sie schöner sei als die Nereiden. Die Nereiden waren liebliche Meeresnymphen, die für ihre Schönheit bekannt waren. Ihre Aufgabe war es Schiffbrüchige vor dem Ertrinken zu beschützen und Seemännern das einsame Leben auf dem Meer zu verschönern.

Die Nereiden waren Begleiterinnen des Meeresgottes Neptun. Neptun hatte also auch in diesem Teil der Geschichte seine Finger mit im Spiel! Der Meeresgott hörte von der Behauptung Kassiopeias, dass sie schöner sei als seine Nereiden und er wollte diese Beleidigung nicht auf sich sitzen lassen. Er war so erzürnt über die Herabwürdigung seiner Gespielinnen, dass er das Meeresungeheuer Keto aussandte und eine schreckliche Flut über das Land ergehen ließ. König Kepheus, der Vater von Andromeda, wusste sein Land nicht gegen die Flut und gegen das Ungeheuer zu schützen. So suchte er einen Seher auf, um seinen Rat einzuholen. Auf Anraten des Sehers wurde Andromeda an einen Felsen am Meeresrand gekettet. Die junge Prinzessin sollte dem Seeungeheuer Keto geopfert werden und dieses Menschenopfer sollte das Land von der Plage befreien.

Perseus rettet Andromeda, Paolo Veronese, 1576 - 1578

Als Perseus auf dem geflügelten Ross Pegasus durch die Lüfte ritt, erblickte er unter sich die an den Felsen gekettete Andromeda. Er hielt sie zunächst für eine Statue, da sie so schön und so regungslos wie in Stein gemeißelt war. Nur das Wehen ihrer Haare im Wind und eine vergossene Träne auf ihrer Wange verrieten ihm, dass es sich um eine lebendige, junge Frau handelte. Ein Blick und es war um ihn geschehen. Perseus verliebte sich auf der Stelle in die schöne Andromeda.

Andromedas Eltern hatten in ihrer Verzweiflung zugestimmt ihre Tochter zu opfern, weil sie keine andere Möglichkeit sahen das Land vor der Überflutung und vor dem Seeungeheuer zu retten. Aber bis zuletzt hofften sie auf ein Wunder und bangten in der Nähe des Felsens, an den Andromeda gekettet war, um das Leben ihrer geliebten Tochter. Da das Seeungeheuer Keto die Schöne gerade zu verschlingen drohte, als Perseus Andromeda entdeckt hatte, bot er ihren Eltern an ihre Tochter zu befreien, wenn er sie zu seiner Frau machen dürfte. Die verzweifelten Eltern versprachen Perseus nicht nur die Hand ihrer Tochter, sie boten ihm ihr ganzes Königreich an. Durch die Macht der Leidenschaft gestärkt stürzte sich Perseus auf das Seeungeheuer Keto. Da Medusa Ketos Tochter war, muss das Geschöpf einen unendlichen Schmerz gespürt haben, als es – kurz vor seinem eigenen Tod - den abgeschlagenen Kopf seines Kindes erblickte. Mit Hilfe des Gorgonenhauptes, das noch immer seine versteinernde Kraft hatte, konnte Perseus Keto besiegen, das Leben von Andromeda retten und die schöne Prinzessin zu seiner Frau machen.

Als Perseus auf vielen Umwegen endlich an den Hof von König Polydektes zurückkehrte, um ihm das Gorgonenhaupt zu überreichen, hatte dieser offenbar nur noch wenig Interesse an dem abgeschlagenen Kopf. Letztlich überreichte Perseus das Haupt der Medusa ausgerechnet der Frau, die für den schrecklichen Fluch verantwortlich war, der Göttin Athene. Als Sinnbild für ihre Stärke platzierte Athene das Gorgonenhaupt auf ihrem Schild, dem Aegis. Das Gorgonenhaupt auf dem Schild der Athene zementierte ihre Macht als Göttin der listigen Kriegsführung. Vermeintlichen Feinden wurde von da an allein durch ihren Anblick Angst und Bange und kaum einer wagte es noch sich gegen Athene zu erheben.

The Death of Medusa, Edward Burne-Jones, 1882, public domain

INTERPRETATION

Medusa wurde von der geachteten Priesterin zur abscheulichen Gorgone, gefürchtet von allen, denen ihre Geschichte zu Ohren kam. Die Verwandlung der Medusa ist ein zentrales Element in diesem Mythos und ihre düstere Transformation wird als Symbol für die dunkle Seite der menschlichen Natur interpretiert. Ihre Geschichte soll eine Warnung vor den schrecklichen Konsequenzen von fehlgeleiteter Wut, ungezügelten Trieben, Neid und Rache sein.

Der Mythos von Medusa wurde im Laufe der Jahrhunderte auf viele Arten interpretiert. In der modernen Analyse wird Medusa oft als eine Figur gesehen, die sowohl Opfer als auch Täterin ist, bzw. die vom Opfer zur Täterin wurde. Medusa ist zu einem Symbol des Feminismus geworden, sie repräsentiert die Stärke und das Leid von Frauen, deren Geschichte – in ihren Schattenseiten - durch männliche Gewalt und weibliche Konkurrenz geprägt ist.

Neid und Konkurrenz

Wenn Athene fair gehandelt hätte, hätte sie den Täter bestraft und nicht das Opfer. Aber Athene war ein „Mannweib“, sie war die Schutzgöttin und Begleiterin vieler Heroen, die natürlich allesamt Männer waren. Athene konkurrierte auch mit anderen Frauen, so buhlte sie zum Beispiel um den Titel „die Schönste“ zu sein. Neben Venus (griechisch Aphrodite) und Juno (griechisch Hera) war Athene eine der drei Göttinnen, die sich um den heißbegehrten goldenen Apfel stritten, den Eris, die Göttin der Zwietracht, in die Runde geworfen hatte. Der goldene Apfel trug die Inschrift „der Schönsten“ und alle drei Göttinnen waren davon überzeugt, dass dieser Titel ihnen gebührt. Athene und Juno verloren schließlich im Wettstreit gegen Venus, was für die beiden Verliererinnen eine Demütigung war. Da Schönheit für Athene sehr wichtig war, kann man davon ausgehen, dass sie Medusa um ihre Schönheit beneidet hat.

In dem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass äußerliche Merkmale wie Schönheit oder Hässlichkeit in Mythen vor allem die inneren Qualitäten einer Person beschreiben. Die außergewöhnliche Schönheit, über die Medusa vor ihrer Verwandlung verfügte, soll uns also Auskunft über ihr liebliches Wesen geben. Ebenso ist die extreme Hässlichkeit, mit der sie durch den Fluch von Athene bestraft wurde, eine Aussage über die Person, zu der sie nach ihrer Transformation wurde.

Pallas Athena, Franz von Stuck, public domain

Gesellschaftlicher Status, Intrigen und Machtmissbrauch

Der Mythos von Medusa ist eine Darstellung der komplexen Verstrickungen, die in Macht- und Ohnmacht-Dynamiken zustande kommen können. Athene war mit Neptun verwandt, denn Neptun, der Gott der Meere und der Ozeane, war der Bruder ihres Vaters Jupiter, dem Gott der Götter. Athene war der Augapfel von Jupiter, sie war sein ganzer Stolz und da er sie selbst geboren hatte, verzieh er ihr alles. Athene war – im wahrsten Sinne – eine Kopfgeburt, was im Zusammenhang mit dem Mythos von Medusa sehr vielsagend ist, denn Athene hat sich ja letztlich mit dem Kopf der Gorgone geschmückt. Athene wurde aus dem Haupt von Jupiter geboren, sie entsprang seinem Schädel in voller Größe und in glänzender Rüstung. Athene verkörperte Jupiters höchste Ideale, denn sie war – für die damaligen Verhältnisse – hochkultiviert.

Athene war die Göttin der Weisheit und der strategischen, intelligenten Kriegsführung, die in erster Linie der Verteidigung dient. Athene vertrat den Standpunkt, dass man keinen Krieg anfangen sollte, aber dass man sich klug verteidigen muss, wenn man selbst angegriffen wird. Athene war auch die Göttin der Künste, des Handwerks und der Handarbeiten und es war ihr ein großes Anliegen, dass die Menschen in diesen Disziplinen unterrichtet werden. Als Herrscher über die Götter und über die Menschen ließ sich Jupiter nur selten eines Besseren belehren, aber Athenes Rat schätzte er sehr und ihre Ratschläge sorgten oft für die Lösung von besonders komplizierten Angelegenheiten.

Wie so oft, wenn es zu dramatischen Vorfällen kommt, gibt es auch hier eine Vorgeschichte. Die Beziehung zwischen Neptun und seiner Nichte Athene war vor dem schrecklichen Vorfall von Rivalität geprägt, denn beide buhlten um die Gunst der Menschen. Sie stellten das Volk vor die Wahl, ob sie dem Gott Neptun oder der Göttin Athene huldigen wollten. Neptun bot den Menschen Pferde an, während Athene ihnen einen Olivenbaum anbot. Das Volk entschied sich für den Olivenbaum, denn die nahrhafte Pflanze gab ihnen die Möglichkeit sich niederzulassen. Jetzt konnten die Menschen an einem Ort bleiben, weil sie mit Hilfe des Geschenks von Athene anfangen konnten Landwirtschaft zu betreiben. Die Menschen hatten genug vom Nomadentum, sie wollten endlich sesshaft werden, warum sie Neptuns Pferde ablehnten und sich für den Olivenbaum von Athene entschieden. So wurde Athene zur Namensgeberin und Schutzgöttin der Stadt Athen. Ihr zu Ehren wurde ein Tempel, die Akropolis, gebaut, deren Ruinen noch heute stehen. Neptun war tief in seinem Stolz verletzt, da Athene ihn in diesem Wettstreit besiegt hatte.

Der Wettstreit zwischen Athene und Neptun, René-Antoine Houasse, 1689, public domain

So stellt sich die Frage, ob Neptun überhaupt je Interesse an Medusa hatte oder ob er die schöne Gorgone nur benutzt hat, um sich an Athene zu rächen, indem er ihr durch den Akt des Frevels seine Respektlosigkeit demonstrierte. So oder so wurde Medusa zum Spielball der Mächtigen, denn gegen zwei olympische Götter konnte sie kaum etwas ausrichten. Medusa war weder ein Tier, noch war sie ein Mensch, noch war sie eine Göttin. Medusa war eine Kreatur der Natur. Ihre Mutter war – wie bereits erwähnt - die Meeresgöttin Keto und ihr Vater war der Meeresgott Phorkys, zwei uralte Geschöpfe in der griechischen Mythologie, die lange vor den olympischen Göttern kamen. Die Gottheiten, die es vor den olympischen Göttern gab, symbolisieren in der Mythologie eine frühere evolutionäre Entwicklungsstufe. Keto und Phorkys sind die Kinder von Gaia, der personifizierten Erde, eine der allerersten Gottheiten in der Götterwelt der alten Griechen. Diese ersten Gottheiten sind weit entfernt von den viel später entstandenen olympischen Göttern, die im Grunde Menschen waren, die über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügten.

Keto (rechts) neben ihrem Bruder und Gemahl Phorkys (Mitte) und einer weiteren Meeresgottheit (links)

Da die Meeresgötter Keto und Phorkys direkte Abkömmlinge von Gaia sind, verkörpern sie das Meer als eine Naturgewalt und so symbolisiert auch ihre Tochter Medusa etwas Wildes, Uriges und Archaisches. Ihre Mutter Keto verkörperte nicht nur das wilde Meer, sie hatte auch die Kontrolle über die urtümlichen Meeresgeschöpfe, die in den Mythen teilweise real und teilweise fiktiv sind. Da Keto die Gestalt eines furchterregenden Meeresungeheuers annehmen konnte, verkörpert sie auch die Brutalität des Meeres. Von daher symbolisiert Medusa, als eine direkte Nachfahrin Ketos, eben auch etwas sehr Ursprüngliches; in diesem Sinne etwas Primitives. Dass so ein Geschöpf zur keuschen Priesterin im Tempel der hochangesehenen Athene wurde, symbolisiert den Versuch des Menschen die Natur zu kultivieren und das Wilde zu zähmen. Athenes reiner, jungfräulicher Tempel symbolisiert die Ambitionen des Menschen eine heile, kontrollierbare Welt nach hohen Idealvorstellungen zu erschaffen. Medusa hingegen symbolisiert etwas Instinkthaftes, Urzeitliches und Triebhaftes, das auch noch heute, nach einer jahrtausendelangen Evolution, im Menschen vorhanden ist.

Aus einer höheren Perspektive betrachtet, erzählt der Mythos der Medusa die Geschichte der Zivilisation. Der menschliche Verstand, der im Mythos durch Athene verkörpert wird, hat sich im Laufe der Evolution immer mehr ausgebildet. Durch die enorme Weiterentwicklung seines Verstandes konnte der Mensch die „unbändige Natur“ in der Außenwelt und im eigenen Inneren bis zu einem gewissen Grad „zähmen“. Im Gegensatz zu anderen Säugetieren, hat sich der Mensch im Laufe der Evolution kultiviert, er ist also über seine ursprüngliche Natur hinausgewachsen.

Wir haben gelernt, dass wir zusammen stärker sind. Wir haben verstanden, dass wir Probleme durch Kommunikation lösen können, anstatt wild aufeinander einzuprügeln. Wir lassen die Alten und Schwachen nicht zurück, wir kümmern uns um sie. Männer haben gelernt, dass Sex nur mit der Einwilligung der Frau stattfindet, anstatt, dass sie sich einfach nehmen was sie wollen. Durch die Zivilisation haben wir unser „inneres Tier“ kultiviert, weil wir in erster Instanz soziale Wesen sind. Wir wissen, dass es in der Gruppe nur funktionieren kann, wenn die einzelnen Gruppenmitglieder ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung haben, dass wir also nicht wie Tiere übereinander herfallen. Die Selbstbeherrschung, die sich im Menschen im Laufe der Evolution immer mehr ausgebildet hat, ist eine Grundbedingung für unser soziales Zusammenleben, von daher haben wir ihr viel zu verdanken. Die Frage, die der Mythos aufwirft, ist, ob man wirklich so weit gehen will, dass man der Natur den Kopf abhackt. Denn das ist es, was die Enthauptung der Medusa symbolisiert: die Kastration der Natur, wohl bemerkt, der weiblichen Natur, während die männliche Natur – in Gestalt von Neptun - für das Ausleben ihrer natürlichen Triebe nicht bestraft wurde.

In manchen Fällen weiß unsere innere Natur, unser inneres Tier, unsere innere Medusa... vielleicht viel besser wo es langgeht und was zu tun ist. Aber wenn diese innere Natur immer wieder „enthauptet“, also beschnitten wird, „versteinert“ sie und stirbt irgendwann ab. Von daher stellen uns die Uranus-Algol-Konjunktionen vor die Frage, ob wir vielleicht zu beherrscht sind und uns dadurch in gewisser Weise erstarrt fühlen? Vielleicht gehören wir aber auch zu den Menschen, die sehr impulsiv sind, die schnell aggressiv werden und die große Probleme mit der Selbstbeherrschung haben. In dem Fall können wir diese Zeitqualität nutzen, um uns mit den Ursachen auseinanderzusetzen, denn wenn wir schnell die Fassung verlieren, hat das tiefere Gründe.

Wir sollten immer im Hinterkopf behalten, dass der Blick in den Spiegel im Mythos der Medusa eine entscheidende Rolle spielt. Algol bedingt sehr viel Selbstreflexion, wenn wir in Kontakt mit den hochschwingenden Qualitäten dieses Sterns kommen wollen. Positiv gelebt kann sich Algol in tiefer Selbsterkenntnis äußern. Algol kann die Kreativität enorm ankurbeln und die Leidenschaft stark anheizen. Man muss „nur“ aufpassen, dass man sich nicht verausgabt und dass man sich nicht in seinen Leidenschaften verliert. Wenn man unter dem Einfluss von Algol steht, braucht man, neben der Hauptleidenschaft, ein weiteres Outlet. Wenn man z.B. sehr kreativ ist, bringt einem das Ausleben dieser Kreativität zwar viel Erfüllung, aber man braucht sozusagen ein zweites Standbein, etwas anderes im Leben, das die eigene Mitte stärkt. Ansonsten fühlt man sich bald wie ein Ouroboros; die Schlange, die sich selbst verschlingt. Ähnlich verhält es sich mit Beziehungen. Wenn man total verrückt nach einem bestimmten Menschen ist, sollte man darauf achten seine Beziehungen zu anderen Menschen zu pflegen, denn sonst kann die Leidenschaft unter dem Einfluss von Algol leicht zur Obsession werden.

Mosaik der Göttin Athene mit dem Haupt der Medusa, public domain

Mythen sind Mythen, weil sie in aussagekräftigen Bildern zu uns sprechen. Ein Mythos kann immer auf unterschiedliche Arten interpretiert werden. Der Mythos von Medusa kann auf einer personenbezogenen Ebene interpretiert werden, indem wir hier die Geschichte einer unschuldigen, gutgläubigen, ambitionierten, jungen Frau vorfinden, die den Willen hat über die Grenzen ihrer einfachen Abstammung hinauszuwachsen. Die Herkunft von Medusa kann so interpretiert werden, dass es sich um eine Frau handelt, die aus „primitiven“ Verhältnissen kommt. Dass Medusa es aber trotzdem geschafft hat eine Priesterin im Tempel der hochrangigen Athene zu werden, weist darauf hin, dass sie einen langen, harten Weg zurückgelegt hat, bevor sie diese hohe Position einnehmen konnte.

Da Medusa die einzig Sterbliche von den drei Gorgonen war und da sie – im Gegensatz zu ihren beiden Schwestern - wunderschön war, kann man davon ausgehen, dass sie schon früh skeptisch beäugt und mit Neid konfrontiert wurde. Wir können auch davon ausgehen, dass sie sich nicht zugehörig fühlte, denn selbst in ihrer eigenen Familie war sie eine Exotin. Es handelt sich also um jemanden, der auf der Suche nach Zugehörigkeit ist, der seinen Platz in der Welt finden will und der über die Grenzen seiner Abstammung hinauswachsen will. Medusa orientiert sich schließlich an dem Idealbild einer keuschen Göttin, die ein sehr hohes Ansehen geniest, der Lieblingstochter des Gottvaters Jupiter. Auf das reale Leben übertragen, bedeutet das, dass Medusa zu einer Angestellten in einer leitenden Position (Priesterin) in der Firma (Tempel) einer mächtigen Frau (Athene) wurde, deren Vater der mächtigste Mann der Welt (Jupiter) war.

Diese junge, ambitionierte Frau wird letztlich zum Opfer einer Intrige, die der Onkel gegen seine Nichte gesponnen hat. Neptun wollte sich dafür rächen, dass sich das Volk für Athene entschieden hat und nicht für ihn. Neptun benutzt Medusa sozusagen als Medium, um seine Nichte in ihrem Stolz zu verletzen, denn er weiß, dass Athene zu mächtig ist, als dass er sie direkt angreifen könnte. Athene weiß wiederum, dass sie ihren Onkel für seine Tat nicht ernsthaft bestrafen kann, denn auch Neptun hat einen hohen Status im Olymp.

Davon abgesehen war Athene, wie bereits erwähnt, ein „Mannweib“, eine Frau, die sich in der Welt von mächtigen Männern ihren Weg gebahnt hat. So könnte Athene gedacht haben, dass ihr Onkel eben ein Mann ist und dass Männer ihre Triebe nun mal nicht immer unter Kontrolle haben. Triebgesteuerte Männer kannte Athene nur allzu gut, denn mit den Geschichten über die unzähligen Liebschaften ihres Vaters Jupiter kann man ganze Bände füllen. Weil sie den Täter nicht bestrafen kann oder nicht bestrafen will, lässt sie ihre Wut an dem Opfer aus. Athene ist zwar eine Göttin, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie sich dem weiblichen Geschlecht verpflichtet fühlt. Athene verkörpert die Art von Frau, die in einem patriarchalen System Erfolg haben will. So schlägt sie sich lieber auf die Seite eines mächtigen Mannes, der zum Täter wird, anstatt einem weiblichen Opfer beizustehen, das einen geringeren gesellschaftlichen Status hat. Offenbar hat es solche Frauen schon im alten Griechenland gegeben und solche Frauen gibt es auch heute noch.

Haupt der Medusa by Franz von Stuck ca. 1892, public domain

Trauma

Athene vernichtet Medusa, indem sie ihr die Schuld an der Gewalttat gibt. Damit beschämt sie Medusa noch viel mehr, als sie es nach diesem schrecklichen Vorfall ohnehin schon war. Hier findet also eine Täter-Opfer-Umkehr statt. Der Schmerz, den Medusa durch den Verrat von Athene empfunden haben muss, dürfte unermesslich gewesen sein, denn die schlimmste Form von Missbrauch, die ein Mensch erleben kann, ist der spirituelle Missbrauch. Medusa betete Athene an. Athene war für Medusa nicht nur die Brücke zu einem höheren gesellschaftlichen Status, Athene war die Göttin, der sie ihr ganzes Dasein gewidmet hat. Wenn wir uns von anderen Menschen verraten fühlen, ist das tragisch genug, aber wenn wir uns von Gott verraten fühlen, finden wir nirgends Zuflucht. Wir fühlen uns – im wahrsten Sinne – von Gott und der Welt verlassen.

Dass Medusa nach ihrer Verbannung aus dem Tempel zu einem Schreckgespenst wurde, das jeden, der sie anblickte, zu Stein erstarren ließ, ist ein sehr vielsagendes Bild. Wie eingangs erwähnt, geht es im Mythos von Medusa um Trauma. Typische Reaktionen auf eine traumatisierende Erfahrung sind kämpfen, fliehen, unterwerfen oder erstarren. Das Bild des Gorgonenhauptes, mit seinen aufgerissenen, aus den Höhlen quellenden Augen, der heraushängenden Zunge, den Reißzähnen und den wilden Schlangen, die sich um ihren Kopf winden, ist sozusagen eine Momentaufnahme der körperlichen, emotionalen und seelischen Verfassung eines Menschen, der ein Trauma erlitten hat. Aus psychologischer Sicht ist die Antwort auf das Trauma in dem Fall die Erstarrung.

Medusas Gesicht erstarrt und unser Blick auf sie lässt uns erstarren. Fälschlicherweise wird Medusa in jüngerer Zeit oft als ein aktiver Part in der Versteinerung dargestellt. In Filmen sehen wir eine blutrünstige Medusa, deren Augen tödliche Strahlen aussenden, wodurch ihre Opfer zu Stein erstarren. Tatsächlich konnte ich in der Mythologie keine Hinweise finden, dass Medusa auch nur einen Finger gekrümmt hat, um jemanden zu verletzen oder gar zu töten. Nicht das was sie tut, lässt ihr Gegenüber zu Stein erstarren, sondern das was ihr Anblick im Gegenüber auslöst, verwandelt diesen Menschen zu Stein. Obwohl das Thema Trauma im öffentlichen Diskurs mittlerweile immer mehr zur Sprache kommt, haben viele von uns nach wie vor Berührungsängste im Umgang mit traumatisierten Menschen. In gewisser Weise sind diese Ängste auch nachvollziehbar, denn Trauma kann von der betroffenen Person auf die Menschen, die ihr nahestehen, übertragen werden.

Die Schlangen, die sich wild züngelnd um Medusas Kopf winden, sind ein sehr anschauliches Bild für die intrusiven Gedanken, unter denen traumatisierte Menschen oft leiden. Aus dem Kopf der traumatisierten Person quellen sozusagen giftige, verwirrende, aggressive Gedanken, die – wie wilde Schlangen – kaum zu bändigen sind. Intrusive Gedanken sind für viele traumatisierte Menschen - von allen Folgen eines Traumas - oft die größte Belastung. Das Schlangenhaupt der Gorgone erinnert uns daran wie wichtig es ist, dass wir uns um Heilung bemühen, wenn wir unter Gedanken leiden, die uns stark belasten. Schlangen symbolisieren nicht nur Gift, Bösartigkeit und Zerstörung, sondern auch Transformation, Heilung, Weisheit und Macht. Von daher sind die Schlangen, die sich um Medusas Haupt winden, auch ein Hinweis auf die Verwandlungs- und Heilungschancen, die wir haben, wenn wir ein Trauma erlitten haben.

Heilung von Trauma

Zur Erinnerung: aus der klaffenden Wunde am Hals der Medusa entspringen Pegasus, ein geflügeltes Pferd und Chrysaor, ein mächtiger Krieger mit einem goldenen Schwert. Das Blut der Medusa kann ein Heilmittel oder ein Gift sein. Athene platziert das Haupt der Medusa auf ihrem Schild.

Diese Bilder verdeutlichen, dass Heilung möglich ist und dass ein Mensch, der ein Trauma erlitten hat, durch die Auseinandersetzung mit der traumatischen Erfahrung weit über seinen bisherigen Horizont hinauswachsen kann. Das geflügelte Pferd symbolisiert einen Zugang zu spirituellen Dimensionen, es steht für Weisheit, Kreativität und Inspiration. Die Tatsache, dass das Blut der Medusa heilen oder vergiften kann, weist darauf hin, dass es zu großen Teilen an uns liegt was wir aus einer destruktiven Erfahrung machen. Der mächtige Krieger symbolisiert die Stärke, die in uns erwächst, wenn wir innere und äußere „Dämonen“ besiegen. Das goldene Schwert symbolisiert, dass Wissen Macht ist und dass das Verstehen der Zusammenhänge von negativen Erfahrungen zu einer positiven Transformation führen kann. Gold symbolisiert den alchemistischen Prozess, durch den Blei in Gold verwandelt wird. Schwerter symbolisieren Intelligenz, kommunikative Fähigkeiten und die Fähigkeit sich von schädlichen Einflüssen zu lösen. Dass die Göttin Athene durch das Haupt der Medusa auf ihrem Schild noch mächtiger wurde, zeigt wie wichtig der „Mut zur Hässlichkeit“ ist. Insbesondere Frauen haben auch heute noch verinnerlicht, dass man immer nett und höflich sein muss. Wenn man es mit Menschen in Machtpositionen zu tun hat, sollte man tun was von einem verlangt wird. Bei etwaigen Übergriffen und Grenzverletzungen sollte man sich nicht wehren, weil die mächtigere Person am längeren Hebel sitzt.

Medusa Trinkbrunnen, Nemi, Italien

Schutz und Abwehr

Diejenigen von uns, die Probleme haben sich abzugrenzen und für sich einzustehen, können eine Dosis Algol gut gebrauchen. Wohl bemerkt: auf die Dosis kommt es an. Bei Algol gilt der gleiche Grundsatz wie in der Heilkunde: die Dosis macht das Gift.

Das Haupt der Medusa wurde letztlich zu einem mächtigen Schutz- und Abwehrsymbol, warum es auch heute noch an alten Gebäuden, Tempeln und Brunnen im Süden Europas zu finden ist. Alexander der Große, der von 336 bis 323 vor Christus König von Makedonien war, trug das Haupt der Medusa auf seiner Rüstung. Die Gorgone auf seiner Brust sollte seine Feinde abschrecken und dem Kriegsherrn Kraft verleihen. Eine Frau, die – wie Athene - das Haupt der Medusa „auf ihrer Brust trägt“, signalisiert, dass sie Erfahrung im Umgang mit Übergriffen und Grenzverletzungen hat. Sie kann ihre „hässlichen“ Seiten zeigen, wenn sie dem Selbstschutz oder der Verteidigung dienen. Eine ähnliche Botschaft sendet ein Gorgonenhaupt, das uns von der Wand eines Gebäudes entgegenstarrt. Heute finden wir an Häusern oft Schilder mit der Aufschrift „Vorsicht! Bissiger Hund!“. Das Haupt der Medusa an einer Hauswand signalisiert, dass seine Bewohner gewappnet sind und dass sie bereit sind sich gegen etwaige Angriffe zu verteidigen.

Alexander der Große mit dem Haupt der Medusa (Brustplatte), Mosaik,120-100 v.Chr.

Der Mythos von Medusa ist so reich in seiner Bildsprache, dass ich hier nicht seine ganze Symbolik besprechen kann. Dadurch, dass Mythen in Symbolen zu uns sprechen, regen sie das intuitive, kreative Denken an. Die „Traumsprache“, die einen Mythos ausmacht, richtet sich direkt an unser Unbewusstes. Dadurch werden eine Vielzahl von Assoziationen ausgelöst, die beim Einzelnen ganz unterschiedlich ausfallen können, je nachdem wie sehr wir uns mit dem jeweiligen Mythos identifizieren können. Von daher geht es in erster Linie um das, was die Bilder, mit denen der Mythos von Medusa arbeitet, in uns persönlich auslösen.

URANUS

Zum Abschluss möchte ich noch die Verbindung zu Uranus herstellen. Wie eingangs erwähnt, bildet Uranus, der große Revoluzzer, Erneuerer und Befreier, drei Konjunktionen zu Algol, dem Haupt der Medusa. Mythologisch zeigt sich eine faszinierende Analogie zwischen Medusa und Uranus, denn Medusa wurde enthauptet und Uranus wurde kastriert. Der Frau wurde ihr Kopf genommen und dem Mann sein Glied. Hier treffen also zwei Vertreter ihres Geschlechts aufeinander, die beide ein unsagbares Leid erfahren haben.

Astrologisch ist Uranus der Planet der Sozialisation und der Individuation. Einerseits fordert uns Uranus dazu auf uns nützlich zu machen, indem wir uns aktiv in die Gesellschaft einbringen und andererseits erwartet er von uns, dass wir unsere Individualität ausbilden und Zivilcourage zeigen, wenn Unrecht geschieht. Uranus erwartet, dass wir für uns selbst Verantwortung übernehmen und dass wir Verantwortung für unser Lassen und Tun in der Gesellschaft übernehmen, bzw. innerhalb von Gruppen allgemein. Uranus symbolisiert Gruppendynamiken, im Kleinen, wie im Großen. Bei Uranus geht es um kollektive Entwicklungen, die die ganze Gesellschaft betreffen, hier geht es aber auch um Dynamiken innerhalb von kleineren Gruppen, wie zum Beispiel im Freundeskreis, im Kollegenkreis, in der Yoga-Gruppe oder im Fußballverein. Die Konjunktionen, die Uranus zu Algol bildet, fordern uns dazu auf für uns selbst einzustehen, wenn wir ungerecht behandelt werden und dass wir uns für andere stark machen, wenn ihnen Unrecht geschieht.

Der Mythos von Medusa handelt zwar von einer Frau, die von einem Mann vergewaltigt wird, aber letztlich plädiert er dafür die schädlichen Aspekte des Patriarchats zu transformieren, für Frauen und Männer. Wann immer über die negativen Auswüchse des Patriarchats gesprochen wird, wird suggeriert, dass nur Frauen unter patriarchalen Machtstrukturen zu leiden haben, während sich Männer in einem patriarchalen System frei entfalten können. Tatsächlich leiden die meisten Männer in einem Patriarchat ebenso wie ein Großteil der Frauen. Die meisten Männer müssen in patriarchalen Strukturen auch „auf den Knien rutschen“, denn in einem Patriarchat gilt letztlich das Recht derer, die sich in Machtpositionen befinden. Von daher möchte ich mit der Erzählung über Medusa keineswegs den Anschein erwecken, als wenn die Lösung in einer Herrschaft von Frauen liegen würde. Der Mythos zeigt nur allzu deutlich, dass Frauen eine Machtposition ebenso missbrauchen können wie Männer.

Auf einer gesellschaftlichen Ebene können die revolutionären Energien von Uranus eine tiefgreifende Bewusstwerdung in Hinblick auf Machtmissbrauch bewirken. Aber wer ist die Gesellschaft und wie kommt es zu Fortschritten in einer Gesellschaft? Wir alle sind Teil der Gesellschaft und so liegt es an jedem Einzelnen von uns wie wir mit Macht umgehen und ob wir uns wehren, wenn jemand versucht gegen unseren Willen Macht über uns auszuüben.

Demokratie, als Gesellschaftssystem, ist im alten Griechenland entstanden. Platon, der große griechische Philosoph, der ungefähr von 428 bis 348 vor Christus gelebt hat, plädierte schon zu seiner Zeit für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Platon hat sich auch schon damals dafür eingesetzt die Standesunterschiede in der Gesellschaft aufzuheben. Allerdings war die griechische Gesellschaft zu der Zeit noch nicht so weit entwickelt, dass die Mehrheit bereit war Platons progressive Ideen umzusetzen. Die Frage ist, ob wir heute, mehr als 2000 Jahre später, für eine real gelebte Demokratie bereit sind. Die Uranus-Algol-Konjunktionen stellen uns dahingehend auf die Probe. Die Begegnungen zwischen Uranus und Algol sind eine wichtige Initiation für den zwanzigjährigen Transit von Pluto durch den Wassermann. Wenn Pluto, der Transformationsplanet, durch den Wassermann, das Herrscherzeichen von Uranus läuft, wird die Gesellschaft eine tiefgreifende Transformation durchleben. Aber wie der Mythos von Medusa zeigt, kann eine Transformation sowohl positiv als auch negativ sein. Von daher sollten wir jetzt sehr genau darauf achten an welchen gesellschaftlichen Entwicklungen wir uns beteiligen und von welchen wir besser Abstand nehmen.

„Der Fernseher, diese heimtückische Bestie, diese Medusa, die jede Nacht eine Milliarde Menschen zu Stein erstarrt, starr starrend, diese Sirene, die rief und sang, die so viel versprach und doch so wenig gab.“

Ray Bradbury

Uranus und die Technik

Die Macht, um die es bei den Algol-Uranus-Konjunktionen geht, bezieht sich auch auf unseren Umgang mit Technik. Uranus korrespondiert mit den Wissenschaften und der Technik. Wissenschaft und Technik können uns eine große Macht verleihen, sie können uns aber auch in die „Frankenstein-Falle“ führen. Unter Umständen erschaffen wir – wie Dr. Frankenstein - ein „Monster“, das wir nicht mehr unter Kontrolle haben. KI Experten gestehen „we are building the plane, while we are flying it“, sprich „wir fliegen das Flugzeug, während wir noch dabei sind es zu bauen“. Nicht einmal Experten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz haben eine Vorstellung davon in welche Richtung uns der rasante technische Fortschritt führt. Auch in dem Fall stellt sich die Frage, ob wir das Blut der Medusa zur „Vergiftung“ oder als „Heilmittel“ nutzen. Dieses sowohl-als-auch und die zwei Seiten einer Medaille sind eine wesentliche Botschaft von Algol. Es ist nicht einfach etwas nur positiv zu nutzen, aber wir können es zumindest versuchen....*)))

Viele liebe Grüße mit den Sternen ✨

Lia

Daten Uranus Konjunktion Algol 2024 - 2025:

20.07.2024 19:41:50 MEZ/S Uranus Konjunktion Algol 26°30´24  Stier 

14.10.2024 23:28:10 MEZ/S Uranus Konjunktion Algol 26°31´03  Stier (r/d)

04.05.2025 13:17:20 MEZ/S Uranus Konjunktion Algol 26°30´55  Stier

Daten Uranus Konjunktion Algol 1940 - 1941:

18.07.1940 14:36:40 MEZ/S Uranus Konjunktion Algol 25°20´14  Stier 

16.10.1940 08:06:50 MEZ/S Uranus Konjunktion Algol 25°20´52  Stier (r/d)

03.05.1941 00:18:00 MEZ/S Uranus Konjunktion Algol 25°20´36  Stier 

Wichtige langfristige Themen der astrologischen Zeitqualität:

Jupiter in den Zwillingen 26.05.2024 - 09.06.2025:

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Uranus im Stier ♉ 2018 - 2026: 

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